Heute hat der Sächsische Landtag einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen, mit dem die Rechte der Opfer des SED-Regimes gestärkt werden. Konkret geht es um eine Entfristung der sogenannten SED-Unrechtsbereinigungsgesetze. Politisch Verfolgte sollen auch über 2019 hinaus die Möglichkeit erhalten, für erlittenes Unrecht rehabilitiert bzw. finanziell entschädigt zu werden.
Zu diesem Antrag hielt der Landtagsabgeordnete Martin Modschiedler folgende Rede:
Anfang Dezember 1989, knapp vier Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer, besetzen mutige Frauen und Männer die Stasi-Bezirksverwaltungen in Erfurt, Dresden und Leipzig. Damit kam ein Prozess in Gang, der am 15. Januar 1990 auch in der Besetzung der Zentrale der Staatssicherheit in der Berliner Normannenstraße mündete.
Diesen mutigen Bürgern haben wir es zu verdanken, dass viele Stasi-Akten vor der Vernichtung gerettet wurden. Wir können noch immer sehen, wie hektisch die Stasi damals Akten schredderte. Nur durch das engagierte bürgerschaftliche Handeln war die systematische Aufarbeitung des SED-Unrechts überhaupt möglich. Sie dauert bis heute an und bleibt eine wichtige Aufgabe! Das dürfen wir nicht vergessen. Und genau deshalb diskutieren wir heute, 28 Jahre nach der Besetzung der Normannenstraße, über die SED-Unrechtsbereinigungsgesetze.
Politisch Verfolgte der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR haben auf dieser Grundlage die Möglichkeit, für erlittenes Unrecht rehabilitiert bzw. finanziell entschädigt zu werden. Die damals für eine begrenzte Gültigkeitsdauer festgelegten Gesetze zur SED-Unrechtsbereinigung und in diesem Zusammenhang auch zur Überprüfung einer früheren STASI-Tätigkeit, drohen nun auszulaufen. Die Frist für die Antragstellung auf Rehabilitierung endet am 31. Dezember 2019. Zudem endet am 31. Dezember 2019 die im Stasi-Unterlagen-Gesetz normierte Frist für die Verwendung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR zur Überprüfung der im Gesetz genannten Personen. Die Aufarbeitung von Unrecht darf kein Verfallsdatum haben. Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, hat das treffend formuliert.
Erst durch die jahrzehntelange Arbeit der verschiedenen Aufarbeitungsinstitutionen und Opferverbände, der Landesbeauftragten und des Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen konnte das ganze Ausmaß der systematischen staatlichen Benachteiligung und Verfolgung in der SED-Diktatur aufgedeckt werden. Und der Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen!
Für die Betroffenen ist es oft schwer, einen Nachweis über die persönliche Verfolgung, die dadurch entstandenen Nachteile und die damit verbundenen Rehabilitations- und Entschädigungsansprüche zu führen. Viele haben erst nach Jahren den Mut und überhaupt die Kraft gefunden, sich mit ihren traumatischen Erlebnissen auseinanderzusetzen.
Die Stasi hat Menschen, sie hat Biographien zerbrochen. Viele ehemals politisch Verfolgte befinden sich auch heute noch in einer schwierigen wirtschaftlichen und sozial prekären Lage und werden bisher nicht oder nur ungenügend unterstützt. Etwa 200.000 Menschen saßen in der DDR aus politischen Gründen in Haft. Sie waren der Überwachung und Einschüchterung ohnmächtig ausgeliefert. Zahllose Biografien von Oppositionellen und ehemaligen Häftlingen sind durch staatliches Unrecht gezeichnet.
Nicht zu vergessen sind auch die Kinder, die von ihren Eltern getrennt und in DDR-Kinderheimen und so genannten Jugendwerkhöfen eingesperrt wurden. Zur Stärkung der Rechte von Heimkindern in der ehemaligen DDR hat die Sächsische Staatsregierung bereits Ende 2017 eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat eingebracht. Der Ministerpräsident hat in seiner gestrigen Regierungserklärung seine Unterstützung der Initiative bekräftigt.
Der heute zur Debatte stehende Antrag schließt als gemeinsamer Antrag der CDU-Fraktion mit dem Koalitionspartner SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen direkt daran an. Wir begrüßen die von der Sächsischen Staatsregierung mit initiiert Bundesratsinitiative. Wir werden die Sächsische Staatsregierung bei ihrem Einsatz für die Rechte der SED-Opfer nach Kräften unterstützen.
Wir wollen weiter die Rechte derer, die durch das SED–Regime verfolgt und benachteiligt wurden, wahren und verbessern. Das tun wir seit der Friedlichen Revolution, das machen wir heute und das werden wir auch in Zukunft tun. Mit diesem fraktionsübergreifenden Antrag gewährleisten wir genau diese Arbeit.