Königsweg oder Mogelpackung? Zur Forderung der AfD nach mehr direkter Demokratie

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Mit einem Gesetzentwurf möchte die AfD nach eigenen Aussagen die direkte Demokratie in Sachsen weiterentwickeln und stärken. So soll beispielsweise die für Volksanträge und Volksbegehren erforderliche Zahl von Unterschriften abgesenkt und dafür die Sächsische Verfassung geändert werden. Gefordert wir auch die Einführung eines sogenannten fakultativen Referendums. Ich will im Folgenden näher darauf eingehen.

Direkte Beteiligung schon heute möglich

Unsere Verfassungsväter haben sich vor mehr als 25 Jahren intensiv Gedanken über das Instrument der Volksgesetzgebung gemacht. Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid sind in unserer Sächsischen Verfassung fest verankert. Der Verein Mehr Demokratie e.V. stellte 2015 in einem Ranking fest, dass der Freistaat Sachsen beim Thema direkte Bürgerbeteiligung im Ländervergleich auf dem fünften Platz liegt. Eine beachtliche Position.

Aber auch auf kommunaler Ebene gibt es Verfahren, um sich aktiv an der Willensbildung zu beteiligen. Die Bandbreite reicht von Einwohneranträgen, Bebauungsplänen, Bürgerhaushalten bis hin zu Bürgerentscheiden. Man denke nur an die Krankenhausreform oder den Bürgerentscheid über die Waldschlösschenbrücke.

Fluch oder Segen?

Eröffnet direkte Demokratie nun neue Chancen oder spielt sie eher Populisten in die Hände? Klar ist, dass es schon jetzt zahlreiche Möglichkeiten gibt, um sich an politischen Entscheidungen zu beteiligen. Ich sehe keine Defizite bei den Beteiligungsformen, sondern vielmehr bei der Bekanntheit der bestehenden Instrumente. Die Zahl der erforderlichen Unterschriften für Volksanträge bzw. Volksbegehren abzusenken und die Verfassung zu ändern, bringt uns hier nicht weiter!

Das von der AfD geforderte „fakultative Referendum“ ist sogar geeignet, die parlamentarische Demokratie auszuhebeln. Künftig könnten die mit demokratischer Mehrheit beschlossenen Gesetze des Parlaments ersetzt oder auch umgangen werden. Für die Folgen tragen aber trotzdem weiter die Politiker die Verantwortung. Hier sehe ich eine große Missbrauchsgefahr!

Hinzu kommt, dass die Bürger bei Referenden nur darüber entscheiden können, ob sie für oder gegen etwas stimmen. Das wird der Komplexität der meisten politischen Fragestellungen meiner Ansicht nach nicht gerecht. Nicht zuletzt lassen sich solche Referenden auch sehr leicht für populistische Zwecke instrumentalisieren, wie zum Beispiel das Brexit-Votum gezeigt hat. Die Gegner eines konkreten Vorhabens lassen sich immer leichter mobilisieren. Die Konsequenz daraus ist, dass es Neues oft schwer hat. Aber nicht der, der am lautesten ruft, hat auch immer Recht.

Dialogforen - ein Plädoyer

Befragt man die Bürger, was sie mit dem Recht auf mehr Demokratie meinen, merkt man schnell, dass sie sich vor allem mit ihrer persönlichen Meinung in den politischen Prozess einbringen wollen – und das möglichst unmittelbar! Wir müssen aber auch das demokratische Mehrheitsprinzip beachten. Und diese Mehrheit wird in Sachsen alle fünf Jahre in das Parlament gewählt und sie lässt sich auch wieder abwählen.

Wir müssen die Menschen stärker über ihre Möglichkeiten aufklären: zum Beispiel auch über die bereits erprobten Dialogforen. Im Vorfeld eines Gesetzgebungsverfahrens werden an unterschiedlichen Orten Veranstaltungen durchgeführt, bei denen die Bürger im Gespräch mit Abgeordneten oder Vertretern der Ministerien Änderungsvorschläge einbringen können. Das hat den einfachen aber wirkungsvollen Vorteil, dass der Bürger nicht gleich das ganze Gesetz angreifen muss, sondern nur Teile, die er für verbesserungswürdig hält.

Ich halte unsere repräsentative parlamentarische Demokratie für ein bewährtes System. Sie lebt von der Mitwirkung ihrer Bürger. Nehmen wir sie also mit auf dem Gesetzgebungsweg, in dem wir politische Sachfragen gemeinsam diskutieren und so die Verbindung zwischen Bürger und Volksvertreter wieder stärken.

Einen Artikel der Freien Presse zur gestrigen Landtagsdebatte über den AfD-Gesetzesentwurf finden Sie hier.